aej-Mitgliederversammlung beschließt: „Inklusion braucht Engagement“

Talk-Runde mit jungen Mernschen mit Behinderungen bei der aej-Mitgliederversammlung 2022

Talk-Runde mit jungen Mernschen mit Behinderungen bei der aej-Mitgliederversammlung 2022. Foto: aej

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Aus dem Grundlagenpapier:

Im Juni 2021 ist das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) in Kraft getreten. Dieses Gesetz verfolgt als Ziel die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle jungen Menschen, mit und ohne Behinderungen. Die Kinder- und Jugendarbeit ist darin erneut aufgerufen, bei ihren Angeboten die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Angebote für junge Menschen mit Behinderungen sicherzustellen. Doch noch immer erleben Menschen mit Behinderungen neben mangelnder Teilhabe eine besondere Form der Diskriminierung. Sie werden auf die Merkmale reduziert, in denen sie sich vom vermeintlichen Normalzustand unterscheiden.

Lebenswirklichkeiten von jungen Menschen mit Behinderung zeigen zahlreiche Hindernisse und Hürden. Der dritte Teilhabebericht der Bundesregierung, der sich auf die Gesamtheit von Menschen mit Behinderungen bezieht, beschreibt, dass die selbst bestimmte Gestaltung des sozialen Lebens sowie die soziale Teilhabe am familiären und außerfamiliären Leben deutlich erschwert ist. Die aktuelle Jugendstudie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) „Aufwachsen und Alltagserfahrungen von Jugendlichen mit Behinderungen“ bestätigt dies.

In den kommenden Jahren müssen in einem gemeinsamen Diskurs zwischen öffentlichen und freien Träger*innen sowie der Politik die Voraussetzungen geschaffen werden, dieses Recht einzulösen und jungen Menschen mit Behinderungen umfassende gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Trotz wachsender Sensibilität für barrierearme bzw.- barrierefreie Gruppenangebote, Konzepte für inklusive Jugendleiter*innenausbildungen (Juleica), starke Initiativen für inklusive Ferienfreizeiten sehen wir als Evangelische Jugend noch viel Handlungsbedarf, um das Ziel gleicher Teilhabe in der Kinder- und Jugendarbeit zu erreichen. Deswegen wollen wir unsere Beiträge zu einer umfassenden Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in einer inklusiven Gesellschaft beisteuern und alles tun, um bestehende Teilhabehindernisse rechtzeitig zu erkennen, zu beseitigen und deren Entstehen zukünftig zu verhindern.

Für die Evangelische Jugend selbst bedeuten diese Überlegungen:

  • Evangelische Jugend versteht Inklusion als Querschnittsaufgabe. Inklusion ist eine Haltung und soll Gestaltungsprinzip sein und nicht nur in Worten nach außen getragen werden. Inklusion umfasst alle Themen- und Aufgabenfelder und wird regelmäßig mitgedacht.
     
  • Jugendverbandliche Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass junge Menschen freiwillig die Angebote aufsuchen, gestalten und entscheiden mit wem sie ihre Freizeit verbringen. Das ist ihre besondere Stärke und gleichzeitig ein Problem. Es entsteht dadurch immer wieder Exklusion, weil nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern u. a. auch durch Klassismus, Sexismus und Rassismus ausgeschlossen werden. Deswegen sollen Reflexionsprozesse implementiert werden, die bewusst machen „Wer fehlt?“. Dazu kann regelmäßig der aej-Inklusions-Check für die Kinder- und Jugendarbeit herangezogen werden:
     
  • Die aej und ihre Mitglieder sowie die evangelischen Fort- und Weiterbildungseinrichtungen fördern die Wissensvermittlung zum Thema Inklusion. Sie tragen zur Qualifizierung und Weiterbildung der Fachkräfte bei und vermitteln spezifisches Wissen, Haltungsfragen und Grundlagen für eine diskriminierungssensible Arbeit.
     
  • Die Mitglieder der aej sorgen dafür, dass Juleica-Bausteine zu Inklusion regelhaft zur Jugendgruppenleiter*innenausbildung gehören und regen an, weitere Fortbildungen zu Inklusion in das Fortbildungsprogramm zur Juleica aufzunehmen. Außerdem tragen sie zur Weiterentwicklung inklusiver Praxis bei und nutzen und verbreiten die vorhandenen Konzepte, Materialien und Arbeitshilfen.
     
  • Informationen über Angebote der Kinder- und Jugendarbeit werden möglichst in leichter Sprache zugänglich gemacht und Webseiten barrierearm bzw. -frei gestaltet.
     
  • Eltern und Sorgeberechtige von jungen Menschen mit Behinderungen werden als bedeutsame Bezugspersonen adressiert.
     
  • Junge Menschen mit und ohne Behinderungen sollen in die Angebotsentwicklung einbezogen werden und Partizipation erleben. Das schließt ein, dass ihnen auch Zugänge zum Ehrenamt ermöglicht werden.
     
  • Die Evangelische Jugend sucht und verstärkt Zusammenarbeit mit Träger*innen und Einrichtungen der Behindertenhilfe. Sie sucht Vernetzung im Sozialraum z. B. zu Förderschulen, Behindertenbeauftragten und zeigt sich offen für neue Kooperationen, die Inklusion befördern. Dabei ist auch zu beachten, die Prinzipien der Kinder- und Jugendarbeit zu verdeutlichen und die Einrichtungen der Behindertenhilfe für diese zu sensibilisieren.
     
  • Die Mitglieder der aej erweitern ihre Schutzkonzepte zur Prävention sexualisierter Gewalt um die besonderen Bedürfnisse von jungen Menschen mit Behinderungen. Die evangelische Kinder- und Jugendarbeit soll ein geschützter und gewaltfreier Ort sein.
     
  • Die aej und ihre Mitglieder beschäftigen sich mit dem „Orientierungsrahmen inklusive Kirche“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und unterstützen die Initiativen der Landeskirchen bei der Erstellung von Aktionsplänen in Bezug auf relevante Aspekte für die evangelische Kinder- und Jugendarbeit.
     
  • Hauptberufliche und Ehrenamtliche der evangelischen Kinder- und Jugendar beit bringen sich in die örtlichen bzw. überregionalen Prozesse und Entscheidungsabläufe zur Umsetzung des KJSG ein, unter anderen in die Diskurse der Jugendhilfeausschüsse. Sie tragen damit zur Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen für eine inklusive Kinder- und Jugendarbeit bei.
     
  • Die aej und ihre Mitglieder erhöhen ihre Anstrengungen, um mehr Menschen mit Behinderungen in Beschäftigung zu bringen. Ebenso schaffen sie Voraussetzungen, die mehr jungen Menschen mit Behinderung eine Mitarbeit in ihren Gremien ermöglicht.
     
  • Die Evangelische Jugend nimmt die Erkenntnisse und Erfahrungen des aej-Inklusionsprojektes „Zusammen? Geht doch! Praxis Inklusion in der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit“ auf und nutzt sie für ihre Praxis.

Genauso sehen wir dies als gesamtgesellschaftliche Aufgabe an und nehmen die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen in der Pflicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Evangelischen Kinder- und Jugendarbeit ermöglichen inklusive Angebote umzusetzen. Diese Rahmenbedingungen sehen wir noch nicht ausreichend geschaffen. Dieser Umstand begrenzt uns in der Umsetzung unserer inklusiven Ziele.

Unsere politischen Forderungen sind:

  • Junge Menschen mit Behinderungen müssen wie alle anderen jungen Menschen an den sie betreffenden Prozessen, die das neue KJSG nach sich zieht, beteiligt werden und als Expert*innen in eigener Sache einbezogen werden.
     
  • Das §11 KJSG ist mit einer bedarfsgerechten Finanzierung für die Kinder- und Jugendarbeit auszustatten. Der Mehrbedarf zur Herstellung von Barrierearmut bzw. -freiheit, notwendige Assistenzen, Übersetzungen in leichte Sprache, Qualifizierung von Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen, Anpassung von digitalen Informationen und Angeboten für alternative Darstellungs- und Steuerungsmöglichkeiten u. a. müssen durch öffentliche Förderung gedeckt werden.
     
  • Jugendbildungsstätten, Übernachtungs- und Freizeitstätten, Zeltplätze sowie Gruppenhäuser und Jugendtreffs auch ohne Übernachtungsmöglichkeit sollen ein Investitionsprogramm erhalten, um inklusive Zugänge zu schaffen und weitest gehende Barrierefreiheit herzustellen.
     
  • Für Förderprogramme von AKTION MENSCH und weitere Programme, die insbesondere Gelder für inklusive Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stellen, sollten Ko-Finanzierungsmittel zur Verfügung stehen, um die Eigenbeteiligung der Projektträger zu decken.
     
  • Junge Menschen mit Behinderung sollen im Zuge der Ausgestaltung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe Wahlmöglichkeiten offenbleiben, um zu entscheiden mit wem sie ihre Freizeit verbringen möchten. Da manche Jugendliche mit Behinderungen besonders in spezialisierten Angeboten ein Gefühl von Unterstützung und Zugehörigkeit erleben, müssen solche Angebote weiter aufrechterhalten werden.
     
  • Politik soll Jugendverbände bei der Umsetzung ihrer Aktivitäten und Anstrengungen zur Schaffung von Partizipation von jungen Menschen mit Behinderungen in jeglicher Hinsicht unterstützen. Dies gilt insbesondere auch bei der Entwicklung von Angeboten politischer Bildung und in der Aneignung erforderlicher Kompetenzen bei der Nutzung digitaler Medien.

Downloads und Links

Beschlüsse der 133. aej-MV 2022


aej und Inklusion


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