Andachten aus Bibel AnDenken
Die Reihe "Bibel AnDenken" erscheint in gemeinsamer Herausgeberschaft der aej mit der Konferenz der Landesjugendpfarrerinnen und Landesjugendpfarrer in der Bundesrepublik Deutschland. Sie bietet Andachtsentwürfe, Materialien für Gruppenstunden und Freizeiten, Lieder, Informationen zur Jahreslosung und Monatssprüchen.
Andacht November 2025
Lost and found
Andacht
Die Lehrerin macht Druck. Mathe. Schon seit Wochen quält sie ihre Klasse mit Exponentialfunktionen. Er war am Anfang gut dabei. Meinte, es verstanden zu haben.
Dann zwei Wochen krank. Es fühlt sich an wie ein Filmriss. Was da vorne im Klassenzimmer erklärt wird: Er versteht es einfach nicht. Er kann es nicht einordnen.
Nächste Woche steht ein Test an. Er ist raus. Er fühlt sich lost.
Sie wollte nur kurz ihren Stundenplan für den nächsten Tag checken. Da ploppt auf ihrem Handy eine neue Nachricht auf. Ihre Freundin hat geschrieben. Sie hatten sich verabredet. Dann wieder sieht sie die Werbung von einer schicken Jacke. Sie schaut. Sie stöbert. Oder eine Hose? Sie sucht weiter, surft und googelt sich durchs Netz. Nach 40 Minuten erschrickt sie: Warum bin ich gerade hier? Warum habe ich das Handy zur Hand genommen? Ach ja: Der Stundenplan! Den muss ich mal noch checken. Sie ist lost.
Seine Familie ist in einen anderen Ort gezogen. Die Eltern haben einen neuen Job. Er und seine Schwester mussten mit. Er freute sich auf die neue Wohnung, die neue Schule. Und endlich ein ordentlicher Fußballverein! Er traut sich hin. Im Training zeigt er, was er kann. Die Trainerin erkennt sein Talent und fördert ihn. In der Kabine wird er kritisch beäugt. Was will der Neue hier? Er wird gemieden. Es wird gelästert. Er ist raus. Er ist allein. Lost.
Szenenwechsel: Vor etwa 2.600 Jahren wurden sie aus ihrer Heimat vertrieben. Vorher lebten sie in Jerusalem. Die Stadt wurde belagert, erobert und zerstört. Nur wenige konnten in der Stadt bleiben. Sie selber aber mussten weg. Der König Nebukadnezar wollte es so. Gefangenschaft in Babylonien. Ohne Perspektive, jemals wieder zurückzukommen. Seit vielen, vielen Jahren lebten sie nun schon 1.000 km entfernt von ihrer Heimat. 1.000 km entfernt von ihrem Tempel. Gefühlt 1.000 km entfernt von Gott. Von den damals politisch und religiös Verantwortlichen wurden sie im Stich gelassen. So hatten sie sich das Leben nicht vorgestellt, auch nicht ihren Glauben. Sie waren lost.
In dieser Situation ergriff der Prophet Ezechiel das Wort. Er redete im Auftrag Gottes. Er redete nicht um den heißen Brei herum. Das stieß nicht immer auf offene Ohren. Denn er warf den nach Babylonien Verschleppten vor, selbst an ihrer Situation Schuld zu sein: Hättet ihr auf Gott gehört, hättet ihr seiner Leitung vertraut, hättet ihr euch besser umeinander gekümmert. Es würde euch besser gehen. Aber außer diesem Vorwurf brachte Ezechiel noch einen sehr ermutigenden Satz mit: »Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken.« (Ez 34,16) Sie merkten, dieser Satz traf genau ihre Situation. Sie fühlten sich doch verloren und verirrt. Sie trugen doch innere und äußere Wunden, an denen sie litten. Sie fühlten sich doch ausgeliefert und schwach. Lost eben. Es scheint jemanden zu geben, dem das nicht egal ist. Jemanden, der sich die Mühe macht, den Menschen nachzugehen, der ihnen Orientierung gibt und verspricht für sie zu sorgen. Was für eine Aussicht, was für eine Zusage!
»Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken.« (Ez 34,16)
Dieser Satz ist ein ermutigender Satz für das Volk Israel. Dieser Satz ist ein ermutigender Satz für Menschen, die ausgeschlossen werden oder in der Schule nicht mehr mitkommen oder sich in den Weiten des Internets verirren: Gott kümmert sich.
Dieser Satz ist aber auch ein bestärkender Satz für Menschen, denen andere nicht egal sind. Es ist im Sinne Gottes, sich für die einzusetzen, die nicht mitkommen. Es ist im Sinne Gottes, zu denen zu gehen, die sich allein fühlen. Es ist im Sinne Gottes, denen zu helfen, die an Körper oder Seele verletzt sind. Es ist im Sinne Gottes, die zu stärken, denen die Energie zum Leben fehlt. Dieser Satz gibt Kraft für alle, die mitmachen und sich engagieren. Die gute Nachricht ist: So hat Gott sich das vorgestellt. Gut, dass du dabei bist.
Georg Zimmermann
Landesjugendpfarrer in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens