Andachten aus Bibel AnDenken
Die Reihe "Bibel AnDenken" erscheint in gemeinsamer Herausgeberschaft der aej mit der Konferenz der Landesjugendpfarrerinnen und Landesjugendpfarrer in der Bundesrepublik Deutschland. Sie bietet Andachtsentwürfe, Materialien für Gruppenstunden und Freizeiten, Lieder, Informationen zur Jahreslosung und Monatssprüchen.

Andacht Mai 2025
Keine halben Sachen
Die letzten Vorbereitungen im Jugendkeller für die Klima-Aktion am Wochenende auf dem Marktplatz liefen auf Hochtouren. Nur Lisa-Sophie war plötzlich sauer. »Mir reicht es!«, sagte sie. »Ich will keine halben Sachen mehr machen. Ein bisschen Frieden, ein bisschen Klima, ein bisschen gegen rechts – das ist mir zu wenig. Entweder ganz oder gar nicht. Nicht immer nur ein bisschen! Man ist ja auch nicht ein bisschen schwanger.« Plötzlich griff sie zur Schere und schnitt ihr schönes Transparent mitten durch. »Sehr ihr! Halbe Sachen taugen nichts. Keiner kann es mehr hochhalten.« Natürlich waren alle aus der Gruppe zuerst einmal mächtig irritiert. Dem ersten Entsetzen über ihren Zornesausbruch und die Zerstörung ihres mühsam bemalten Banners folgte schnell ein erstes Leuchten in den Augen der Jugendlichen. Genau das ist es! Keine halben Sachen! Recht hat sie! Die neue Aktionsidee war geboren.
Es gestaltete sich dann doch etwas mühsam, den alten Holztisch, den Stuhl, den ausgedienten Laptop, das Fahrrad, den Pullover, die Teetassen und noch viele andere Dinge in der Mitte durchzusägen. Aber es gelang und bei der Klimaaktion war es voll der Hingucker. Allen, die es betrachteten, war bei dem Anblick der halbierten Gegenstände sofort klar: Halbe Sachen taugen nichts! Von einem halben Tisch kann man nicht essen, auf einem halben Stuhl nicht sitzen, ein halber Pullover wärmt nicht und eine halbherzige Klimapolitik rettet unsere Erde vor der Erwärmung nicht.
Wie einfach sich doch manche komplexen Zusammenhänge auf den Punkt bringen lassen.
Super Idee, Lisa-Sophie. Danke!
Manchmal braucht es eben drastische Aktionen, um Menschen wachzurütteln. Schaut hin und denkt mal gründlich nach! Wenn es nur ein halber Laptop ist, dann ist das vielleicht noch originell. Aber wenn der halbe Regenwald brennt, dann ist Schluss mit lustig!
Nichts anderes wollte auch Joel. Keine halben Sachen! Er wollte seine Leute mal so richtig am Kragen packen und durchschütteln. Habt ihr denn keine Augen im Kopf? Dann schaut doch mal hin! Mit Klimadiagrammen konnte Joel damals noch nicht aufwarten, aber mit Erinnerungen an ähnliche Naturkatastrophen schon. Die Menschen damals wussten sehr gut, was es heißt, wenn ein Heuschreckenschwarm über die Olivenbaumplantage zog oder ein Steppenbrand über die fruchtbaren Felder hinwegfegte. Da blieb hinterher nichts mehr übrig. Ein Blick in die alten Schriften der Bibel über die Plagen in Ägypten reicht schon aus, um zu sehen, zu was Gott alles fähig ist, wenn die Menschen nur halbherzig miteinander umgehen. Lasst es also am besten erst gar nicht so weit kommen! Also keine halben Sachen – so der Tipp des Joel.
Doch ganz wohlgefühlt hat sich der Prophet nicht. Die Sache mit den Heuschrecken und dem heißen Klima einfach so Gott in die Schuhe zu schieben, wäre zu einfach. Außerdem will Gott das alles ja gar nicht. Sonst hätte er sich die ganze Mühe mit der Schöpfung sparen können. Gott will vielmehr, dass die Leute endlich begreifen, was die Folgen ihrer Halbherzigkeit sind. Sie sollen endlich ihre Haltung überdenken und am besten ihre Handlungen ändern. Für Joel waren die Heuschrecken und Feuersbrünste seiner Zeit die Hingucker Gottes. Heute kommt uns der Gedanke, dass Gott Insektenplagen und Hitzewellen schickt, ziemlich schräg vor. Wir wissen viel besser, dass nicht Gott, sondern wir Menschen selbst die Finger bei vielen verheerenden Umweltkatastrophen im Spiel haben. Eigentlich zum Glück für uns. Wenn nicht Gott verantwortlich ist, dann können und müssen wir Menschen sehr wohl etwas tun. Und das ist nun mal:
keine halben Sachen mehr machen.
Stichwort »Tun«. Was es noch braucht, um etwas zu verändern, sind mutige Menschen mit guten Ideen und Tatendrang. So wie Lisa-Sophie. Menschen, die für eine Sache brennen, andere mitreißen und anstecken. Menschen, denen auch mal das Herz überläuft, sei es vor Freude oder vor Zorn über die Tatenlosigkeit und Ignoranz anderer. Und manchmal muss
man einfach mal über die Stränge schlagen, wenn man keine Kompromisse mehr machen will.
Jesus damals war da auch nicht anders. Auch er hat keine halben Sachen gemacht. Da flog auch schon mal ein Tisch durch die Gegend, wenn ihm die Leute zuwider waren, die an ihm saßen. Manchmal muss der Zorn einfach raus. Irgendwann ist nun mal der Spaß zu Ende. Das hat Jesus mit seinen jüdischen Propheten-Kolleg*innen vor ihm gemeinsam. Sie traten kompromisslos für die Sache Gottes ein und stießen die Leute vor den Kopf, damit es in ihrem Kopf endlich mal klick macht.
Und noch etwas hat Jesus mit den Propheten früher verbunden. Sie waren alle zutiefst davon überzeugt, dass Gott seine Schöpfung am Herzen liegt und wir Menschen gleich mit. Deshalb läuft Jesus manchmal die Galle über, wenn er mit ansehen muss, wie der Mensch seine Freiheit missbraucht.
Gott braucht uns Menschen, um seine wunderbare Schöpfung zu erhalten. Deshalb braucht es die deutlichen Worte und drastischen Bilder der Propheten. Ebenso wie es heute deutliche und drastische Aktionen braucht, um Menschen wachzurütteln und das Ruder rumzureißen. Es ist noch nicht zu spät, wenn man keine halben Sachen macht und mit dem ganzen Herz dabei ist. Halbe Sachen sind nun mal nichts für Christ*innen und Resignieren erst gar nicht!
Florian Geith
Landesjugendpfarrer in der Evangelischen Kirche der Pfalz