Andachten aus Bibel AnDenken

Die Reihe "Bibel AnDenken" erscheint in gemeinsamer Herausgeberschaft der aej mit der Konferenz der Landesjugendpfarrerinnen und Landesjugendpfarrer in der Bundesrepublik Deutschland. Sie bietet Andachtsentwürfe, Materialien für Gruppenstunden und Freizeiten, Lieder, Informationen zur Jahreslosung und Monatssprüchen.

Cover BA 2024
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August 2022
Jubeln sollen die Bäume des Waldes vor dem HERRN, denn er kommt, um die Erde zu richten. 1. Chr 16,33

Hipp, hipp, hurra!
Meditation
(Am besten im Freien, im Schatten einer Baumkrone. Viel Zeit lassen!)

Schließe deine Augen.
(laut und begeistert:)
Hipp, hipp, hurra!
Tor!
Geschafft!
Erinnere dich: Wo hast du so richtig gejubelt?
Was war das für ein Anlass?

Versetze dich noch einmal in diese Situation.
Wie hat sich das angefühlt?
Im Herzen?
Im Kopf?
Im Bauch?
Bist du aufgesprungen?
Hast du etwas gerufen? Hast du getanzt? Jemanden umarmt?

Spüre deinen Jubel im ganzen Körper!

Öffne deine Augen.
(Kurzer Austausch über die persönlichen Erfahrungen)

Jubeln ist total befreiend.
Die Aufgabe bestanden.
Hurra!
Das Spiel gewonnen!
Jubel setzt Glückshormone frei.
Das ist wunderbar.

Oft ist der große Jubel der Einen zugleich die tiefe Enttäuschung der Anderen. Und dann findet draußen vor dem Stadion die dritte Halbzeit statt, weil der Jubel der Sieger unerträglich ist und sich wie Schadenfreude anfühlt.

Mit dem Jubel von Menschen habe ich darum mitunter so meine Probleme. Nicht nur weil wie damals in Jerusalem der Hosianna-Jubel überraschend schnell in ein Kreuzige-ihn-Geheul umschlagen kann. Jubel kann Menschen blind machen. Menschen wird zugejubelt – auf Bestellung wie bei den gruseligen Massenaufmärschen in der Diktatur Nordkoreas – oder aus fanatischer Begeisterung, wie wir es von den Präsidentschaftswahlkämpfen in den USA kennen. Im Jubel kommen unsere archaischen Triebe zur
Geltung. Ein zutiefst echtes Gefühl. Und zugleich ein riskanter Funke der Überheblichkeit.

Kann es auch einen ganz und gar »unschuldigen« Jubel geben? Einen Jubel für alle? Einen Jubel, der niemanden verletzt? Einen Jubel, in den die ganze Natur mit einstimmen kann? Die Vögel des Himmels, die Insekten der Wiesen, die Fische des Meeres, die Berge der Kontinente, die Völker der Erde, die Bäume des Waldes ...?
Was für ein Anlass müsste das sein?
Vielleicht die Erfüllung einer gemeinsamen Erwartung.
Davon spricht der Monatsspruch:
Jubeln sollen die Bäume des Waldes vor dem HERRN, denn er kommt, um die Erde zu richten. (1.Chr 16,33)

Hurra. Er kommt! So lange haben wir gewartet! Rollt den roten Teppich aus!
Jubelt, kreischt und bringt die Kameras in Stellung ...
Tatsächlich hat der Jubel in diesem Bibelvers einen wichtigen Anlass.
König David bringt die Bundeslade und präsentiert sie öffentlich. Es ist ein großer Tag! David hatte extra eine Stätte mit Überdachung erbauen lassen. Er ruft die Priester und die Leviten zusammen. In einer heiligen Prozession bringen sie die Lade. In der Lade werden die 10 Gebote Gottes verwahrt. Sie sind mehr als die gültigen von Gott gegebenen Rechtsnormen – sie sind Zeugnis des Bundes Gottes mit den Menschen. Und sie sind der Maßstab für ein Leben, dass sich an Gott orientiert. Es sind keine Maßregelungen,
sondern Hilfestellungen für ein gelingendes Leben miteinander: Liebe Gott und achte die Menschen! David hat verstanden, dass es solche Regeln für das Miteinander braucht.
Nun endlich zieht die Bundeslade in der Hauptstadt ein. David organisiert ein gewaltiges Fest. Musiker spielen auf: Sänger, Saitenspieler mit Psaltern, Harfen und hellen Zimbeln. Sogar Trompeten erklingen zum Empfang. Die Menschen singen laut – voller Freude. Davids Open Air Event.
Am Ziel steht ein Altar. Brandopfer werden darauf entzündet. Begeisterte bringen reichlich Dankopfer an die Stufen und König David segnet das Volk. Es gibt Geschenke für jede Frau und jeden Mann: Brot und Kuchen mit Datteln und Rosinen. Und dann beginnt David selbst zu tanzen. Was für ein irrer Anblick: Die Regierung tanzt! Das sieht man selten. Und dann fängt David auch noch an zu singen. Ein Dank- und Loblied über Gott.

Danket dem Herrn, ruft seinen Namen an,
tut kund unter den Völkern sein Tun!
Singet und spielet ihm,
redet von allen seinen Wundern!

Jubeln sollen die Bäume des Waldes vor dem HERRN,
denn er kommt, um die Erde zu richten.
Danket dem Herrn, denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.

Manche der Umstehenden merken sich diese prächtigen Worte und sprechen sie von nun an zuhause bei Tisch als Gebet.
Schließlich geht das große Fest zu Ende. Doch die Bundeslade steht nicht verlassen. Sie wird gut bewacht und täglich werden Brandopfer dargebracht und Musik erklingt zur Ehre Gottes.

Es ist eine ungetrübte Freude. David spürt, dass er einen großen Auftrag endlich erfüllt hat. Die Bundeslade ist nun schon Jahrzehnte unterwegs seit der Übergabe der Gesetzestafeln an Mose – damals auf dem entbehrungsreichen Weg durch die Wüste. Doch es geht nicht nur um den Inhalt der hölzernen Lade. Nein. Da ist ein »Gott zum Anfassen«. Mit der Bundeslade ist Gott selbst sichtbar in der Mitte des Reichs eingezogen. Dort steht jetzt seine Hütte. Der Prophet der biblischen Offenbarung hat es später gut auf den Punkt gebracht: »Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.« (Offb 21,3)

Ja, es ist ein tolles Gefühl, wenn ich etwas erfolgreich zum Abschluss geführt habe. Eine Aufgabe, einen Ausbildungsabschnitt. Ein Ziel, was ich mir selbst gesetzt habe. Das ist Grund zum Jubeln. Viele teilen ihre Erfolgserlebnisse mit anderen. Damals in Gesängen und Erzählungen, heute auf diversen sozialen Kanälen. Weil ich stolz bin – und damit andere daran teilhaben sollen. Und dann wird gefeiert! Mit Musik und Tanz, Essen und Trinken, mit Freunden und mit Gott ...

Wie? Mit Gott feiern?
Spielt Gott eine Rolle bei unseren persönlichen Erfolgserlebnissen? So wie damals bei David?
Kommt ER irgendwie vor, wenn uns nach Jubel zumute ist?
Bei aller Freude, die Menschen über Zeit- und Kulturgrenzen hinweg verbindet – die Rolle des persönlichen Glaubens ist da sehr verschieden. Wie beziehe ich Dank und Gotteslob mit in meine persönliche Freude ein? Will ich das überhaupt? Was hat Gott damit zu tun?
Das ist vielleicht die größte Herausforderung des Monatsspruches: Welche Rolle spielt Gott, wenn ich Grund zum Jubeln habe?

David feiert die Gottesgegenwart. Eine große Party für alles, was lebt. Und auch wir feiern die Gottesnähe. Bei der Taufe, bei der Konfirmation, bei der Trauung, bei Hochzeitsjubiläen und schließlich auch bei der Beerdigung.
Gott ist da – trotz allem. In jeder Lebenslage.

Und ER ist da – wegen allem. Wegen des Unrechts. Wegen des Leids. Wegen der Sorgen. Wegen der Gewalt. Wegen des Hasses. Wegen der Kriege. Wegen des Schmerzes. Gott zieht einen Schlussstrich. Das muss endlich aufhören! Denn wir ächzen unter dem Unrecht in der Welt. So wie der Wald stöhnt unter dem Dürrestress der heißen Jahre.
Doch noch ist Hoffnung. Für den Wald und für die Welt. Von solcher Hoffnung erzählt:

Die Legende vom Lebensbaum
»Jetzt reicht es!«, sprach Gott. »Ehe sie sich noch am Baum des Lebens vergreifen, werfe ich sie hinaus!« Und schneller als sie Äpfel schälen können, stehen sie auf dem  Acker, den sie nun bewirtschaften müssen und richten sich auf Erden ein. Die Arbeit ist schwer, aber schön – die Familie schön, aber nicht immer ganz leicht.
Als Adam nach vielen Jahrzehnten merkt, dass seine Zeit abgelaufen ist, schickt er seinen Sohn Seth nochmal an die Paradiespforte, damit er dort berichte.
Erzengel Michael hält Wache. Aber er staunt nicht, denn Engeln bleibt ohnehin nichts verborgen und ihnen erscheint nichts merkwürdig. Aber weil sie immer etwas Gutes tun wollen, schenkt er Seth drei Samenkörner vom Baum des Lebens. Die soll Adam sich unter die Zunge legen. Drei Tage später stirbt Adam, nicht an – aber mit den Körnern. Und er wird beerdigt auf einem Berg, den Menschen später einmal Golgatha nennen.

Dort wächst ein Lebensbaum aus den Samen. Unerkannt. Zur Zeit des Pontius Pilatus kommen römische Soldaten und fällen ihn. Zimmerleute müssen ein Kreuz daraus bauen. Ein Mensch wird daran geschlagen. Auf dem Schild über seinem Kopf steht geschrieben: »Jesus von Nazareth – König der Juden«. Unter dem Kreuz aber steht Johannes, ein Jünger. Er sieht mehr als Augen sehen können. Er sieht einen Garten. Und es fließt da der Strom des Lebens. An den Ufern stehen Bäume. Sie tragen reiche Frucht über das ganze Jahr. Und es heißt: Ihre Blätter dienen den Völkern zur Heilung (nach den Apokryphen und Offb 22,1–3).

Das Kreuz Jesu wird in manchen Darstellungen als Baum dargestellt, aus dem viele frische Zweige treiben. Weil die Hoffnung lebt. So hat es Gott von Anfang an gedacht.

Wisst ihr, wie ich mir einen jubelnden Baum vorstelle?
Ich denke an den festlich geschmückten Weihnachtsbaum. Reich behangen. Und mit leuchtenden Kerzen mitten in dunkler Nacht. Jubelt ihr Bäume des Waldes. Denn der Herr kommt. »Maranatha!«1 – so riefen es die ersten Christen einander zu: »Unser Herr kommt!« Er kommt. Ein Gerechter und ein Helfer.

Jubelt ihr Bäume des Waldes und alle, die darin wohnen.
GOTT kommt. Unrecht verschwindet. Recht blüht auf.

Amen

Peter Herrfurth
Landesjugendpfarrer der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland

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