Andachten aus Bibel AnDenken

Die Reihe "Bibel AnDenken" erscheint in gemeinsamer Herausgeberschaft der aej mit der Konferenz der Landesjugendpfarrerinnen und Landesjugendpfarrer in der Bundesrepublik Deutschland. Sie bietet Andachtsentwürfe, Materialien für Gruppenstunden und Freizeiten, Lieder, Informationen zur Jahreslosung und Monatssprüchen.

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September 2022
Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit. Sir 1,10

Liebe und Weisheit in der Praxis
Andacht

Impuls (lang ohne Bildmeditation)
»Meinst du, das ist besonders schlau?!« Er schaut ihn fragend an, »Ich meine, so lange kennst du sie doch noch gar nicht und dann willst du mit ihr gleich zwei Wochen zusammen zelten fahren? Also ich halte das für keine gute Idee. Warte doch erstmal ab, bis die ersten Schmetterlinge verflogen sind und du wieder klarer denken kannst. Dann könnt ihr das doch immer noch machen.« Höflich lässt er seinen Freund ausreden. Vielleicht hat er ja sogar recht. Aber es fühlt sich richtig an gerade jetzt viel Zeit mit ihr zu verbringen. Und man soll doch auch mal auf sein Bauchgefühl hören. Und so antwortet er: »Es ist vielleicht nicht sehr schlau, aber mein Bauch sagt mir: Es ist richtig und ich mach es jetzt auch!«

Der Ausdruck »blind vor Liebe« kommt nicht von ungefähr. In der Hochphase des Verliebtseins, sind häufig alle Vernunft und Erfahrungen beiseite gelegt und man lebt ganz in und durch dieses Gefühl. Und auch später noch kann die Liebe der handlungsbestimmende Faktor sein. Und das ist es doch auch, was Paulus meint, wenn er sagt, »die Liebe ist die größte unter ihnen« (1.Kor 13). Liebe soll unser Handeln zu allererst bestimmen. Nun müsste man natürlich erstmal einschränkend sagen: Wenn, dann die Liebe zu allen Menschen. Denn sicher ist es dir auch schon mal so gegangen, dass du aus Liebe zu einem Menschen einen anderen verletzt hast. In solchen Momenten erscheint das Primat, also die Vorrangstellung der Liebe als handlungsleitende Instanz, zumindest fragwürdig. Und all zu gern wird Verliebtsein auch mit Liebe gleichgesetzt. Dies stimmt schon hormonell nicht, da für die Liebe andere, sogenannte Bindungshormone, zuständig sind, als für die Schmetterlinge im Bauch beim Verliebtsein. Beides hat miteinander zu tun und die Liebe kann sich aus dem Verliebt-sein heraus entwickeln.
Aber es ist eben nicht das gleiche. Liebe geht weit über die rein erotische Anziehung zu einem Menschen hinaus. Ich liebe meine Eltern, meinen Bruder, meine besten Freunde ganz platonisch, wie man so schön sagt, aber nicht weniger innig. Mit ihnen verbringe ich gerne Zeit und sie sind mir wichtig. Und nochmal ganz anders ist es, wie ich finde, bei Gott. Der Monatsspruch für den September aus dem Buch Jesus Sirach sagt:

Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit. (Sir 1,10) Und ich frage mich: Liebe ich Gott eigentlich? Also wenn, dann eher so wie meine besten Freunde und meine Eltern. Er ist mir nämlich wichtig. Ich weiß ihn gern in meiner Nähe und ich bin froh ihm alles anvertrauen zu können. Ob das aber wirklich weise ist, kann ich nur schwer einschätzen. Ich glaube, dass der Autor etwas anderes unter Weisheit und unter Liebe versteht als ich heute. Aber gleichzeitig glaube ich auch, dass dieser Satz dadurch nicht weniger wahr ist. Weil Gott mir wichtig ist, möchte ich gerne Zeit mit ihm verbringen und darum ist mir auch seine Meinung wichtig. Ich möchte mich an seinen Geboten orientieren, weil ich glaube, dass er sie mir zuliebe aufgestellt hat.

Für viele Menschen in meiner Umgebung klingt das vielleicht nicht sehr weise, aber einen Weg gefunden zu haben, wie ich mein Leben gut und behütet leben kann, ohne Angst
und voller Hoffnung, ist für mich der weiseste Weg, den ich mir vorstellen kann. Liebe und Weisheit können bei Gott zusammengedacht werden, auch wenn sie in unserem
zwischenmenschlichen Leben so oft weit auseinanderklaffen. Die Liebe zu Gott ist das, was in der Kirche gerne Glaube genannt wird. Sie braucht, genau wie die Liebe zu einem Menschen, Zuwendung, Zeit und Kraft, und ich glaube fest, dass alle Entscheidungen, die ich aus Liebe zu Gott und den Menschen treffe, sich wenigstens irgendwann später als weise herausstellen.

»Na dann macht mal.« Er zuckt resignierend mit den Schultern. »Du weißt ja: ich bin für dich da! Und ich hoffe wirklich, dass das mit euch beiden was wird. Und wenn das Wetter passt. Ist das mit dem Zelten ja nicht ganz so schlimm.« Er lächelt seinem besten Freund verschmitzt zu. »Man lebt nur einmal, oder?!« »Genau, ihr macht das schon.«

Martin Olejnicki
Kreisjugendpfarrer im Kirchenkreis Köthen

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