Andachten aus Bibel AnDenken

Die Reihe "Bibel AnDenken" erscheint in gemeinsamer Herausgeberschaft der aej mit der Konferenz der Landesjugendpfarrerinnen und Landesjugendpfarrer in der Bundesrepublik Deutschland. Sie bietet Andachtsentwürfe, Materialien für Gruppenstunden und Freizeiten, Lieder, Informationen zur Jahreslosung und Monatssprüchen.

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Juli 2021
Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir. Agp 17, 27 - 28

Andacht Juli 2021

Näher als du glaubst
Entfernungen sind relativ. – Sie stehen zu zweit am Check-in.
Er gibt sein Gepäck auf. Sein Flugzeug startet in 90 Minuten. Es wird ein langer Flug nach Südamerika. 10.000 Kilometer. Er wird lange dortbleiben. Sie weiß es. Ein ganzes Freiwilliges Soziales Jahr lang. Für sie ist da gar nichts sozial. Für sie ist da auch nichts freiwillig. Sie sind seit 10 Monaten zusammen, und jetzt wählt er diesen Weg. Er hat es sich ausgesucht. Sie haben schon viele Stunden geredet. Sie sagte: »So weit weg! Das halte ich nicht aus. Ich brauche deine Nähe.« Er sagte: »So weit weg ist das gar nicht! Wir können uns im Videochat sehen. Täglich. Wir werden uns näher sein, als du glaubst.« In ihrem Inneren laufen diese unzähligen Gespräche gerade noch einmal wie im Schnelldurchgang ab. Es wird nicht besser. Er malt sich aus, was er alles entdecken wird in den nächsten Monaten, welche Menschen er kennenlernen wird, und ja – wie er in knapp einem Jahr wieder an diesem Flughafen ankommt und von ihr abgeholt wird. – Dann ist es so weit: Sie drücken sich. Sie vergießen ein paar Tränen. Sie geben sich einen letzten Kuss. Aber jetzt schnell! Er muss zum Gate. Sie bleibt zurück. Er bricht auf ins Weite. Ihr schnürt der Abschied die Kehle zu.

Entfernungen sind relativ. – Erinnerst du dich daran, wie du das erste Mal irgendwo ohne deine Eltern übernachtet hast? So weit weg von ihnen! Doch es waren nur ganz wenige Kilometer. Und du schwanktest hin und her zwischen einem weinenden »Darf ich mal anrufen?« und einem selbstbewussten »Ich halte das aus!«. Inzwischen genießt du manchmal die Momente, in denen deine Eltern nicht zuhause sind.

Entfernungen sind relativ. – In der Apostelgeschichte des Lukas wird berichtet, wie Paulus in der Stadt Athen einen bemerkenswerten Satz sagt: »Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns.« Paulus sollte etwas über seinen Gott erzählen. In der ganzen Stadt gab es Statuen und Bilder von Göttern. Aber von seinem Gott gab es kein Bild. Wer nicht zu sehen ist, der kann er auch nicht in der Nähe sein, so dachten viele. In ihren Ohren klang dieser Satz wie eine steile Behauptung.

Wo ist Gott? Wo ist dein Gott? – Bei diesen Fragen verschlägt es einem die Sprache. Was soll man auf diese Frage antworten? Und dann stammelt man etwas von: Gott ist da. Gott ist nah. Ich spüre ihn manchmal. Ich weiß auch nicht so richtig. Mal so, mal so, mal anders. Und dann wünscht man sich, dass man einfach irgendwo hingehen und auf etwas zeigen könnte: Da ist er! Direkt vor dir. Schau ihn dir an! Er ist dir ganz nah! Berühre ihn!

Wo ist Gott? Wo ist dein Gott? – Die Antwort des Paulus: Gott ist gar nicht weit weg. Gott ist da, wo wir Menschen sind, »denn in ihm leben, weben und sind wir«, oder besser gesagt: »Durch ihn leben wir doch, bewegen wir uns, und haben wir unser Dasein.« (BasisBibel) Wenn Gott uns geschaffen hat, wenn er uns den Raum zum Leben gibt, wenn wir ihm unsere Existenz verdanken, dann muss er auch da sein, wo wir sind.

Entfernungen sind relativ. – Das weiß Gott schon lange. Und ihm liegt daran, nahe bei den Menschen zu sein. Darum ist er selber Mensch geworden: Einer von uns. Mit Haut und Haaren. Einer, der geliebt und gelebt hat. Einer, der weiß, wie es ist, wenn Menschen allein sind. Einer, der ermutigt und Menschen etwas zutraut.

Entfernungen sind relativ. – Ein Freiwilliges Soziales Jahr in Südamerika: Stell dir vor, dass die beiden Wege finden, in Kontakt bleiben zu können. Dass sie voneinander hören. Dass sie auch über den großen Abstand ihre Liebe zueinander spüren. Dass diese Verbindung trägt. Wenn das unter Menschen gelingen könnte, dann müsste das doch auch mit Gott irgendwie gehen, von dem Paulus sagt: Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns.

Georg Zimmermann
Landesjugendpfarrer der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen

 

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